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Lefkas-Preveza-Korfu / Oktober 2002

Mit Wollsocken ins Winterlager

Man muß ja immer alles positiv sehen! Und so erfreuen wir uns an dem, was bei diesem Wetter möglich ist: am Anblick farbenprächtiger Regenbögen, bizarrer Wolkengebirge, grell zuckender Blitze und am Klang rollenden Donners. Hat man ja sonst nicht in dieser Vielfalt... Spaß beiseite, wir freuen uns so langsam auf's Winterlager. Ein untrügliches Zeichen für's nahe Saisonende ist es, wenn man beim Segeln Socken braucht.


Herrlicher Regenbogen über Preveza Marina

Die kleine Seglergemeinde in Preveza zeigt auch schon die ersten Auflösungserscheinungen. Die einen haben ihr Schiff schon auf dem Trockenen, die anderen reisen für ein Vierteljahr nach Südafrika ("Urlaub machen"), die nächsten schrubben, putzen und bessern aus, schlagen Segel ab, stauen, zerren, zurren. Was eben so anfällt, wenn man ein Schiff sein eigen nennt.

So brechen auch wir nach einigen Tagen in der (bislang noch kostenlosen) Marina unsere Zelte ab, und machen uns auf Richtung Korfu, wo in der neuen Marina Gouvia das Winterlager auf unser Schiffchen wartet. Unterwegs machen wir nochmal Stopp an einem unserer Lieblingsankerplätze, in Lakka auf Paxos. Abends sitzen wir mit doppelter Sweatshirtverpackung, dicken Socken und Fleecejacke im Freien und wettern in unserem Lieblingslokal "Klimataria" bei unglaublich gutem Stifado und Lamm in Aprikosensauce die frostigen Temperaturen ab. Als Nachtisch gibt's "chocolate nemesis", eine Spezialität des englischen (!) Eignerpaares: schwarz, süß, cremig; wir schätzen siebzig Prozent Fett und dreißig Prozent Schokolade. Ein Hochgenuß - und schließlich brauchen wir ordentlich Brennstoff bei diesen Temperaturen!!


Einsame Ankerbucht bei den Syvota-Inseln

Und es gibt sie noch, die wunderschönen, einsamen Buchten im Charterparadies! In der Nähe der Syvota-Inseln vor dem griechischen Festland ankern wir in einer etwas "abseits der Zivilisation" gelegenen Bucht, die in keinem unserer Handbücher erwähnt wird. Ein kleiner Sandstrand ziert den Scheitel der Bucht, links und rechts Felsen, darüber ein Wäldchen und Schafe. Todesmutig springe ich abends nochmal mit Maske und Schnorchel in die kühlen Fluten, doch auch die Fische haben sich schon ins Winterlager verzogen und außer Sand und Seegras gibt es nicht viel zu sehen. Nach zehn Minuten komme ich mir vor wie ein sibirischer Eistaucher und breche die Expedition ab. Danach brauche ich eine Stunde um wieder auf Betriebstemperatur zu kommen.


Ormos Valtou - einsam und verlassen


Den letzten "freien" Ankertag verbringen wir nochmal in einer Bucht am Festland, Ormos Valtou, auch "Igoumenitsa Creek" genannt. Wieder finden wir einen Platz in völliger Einsamkeit - es ist halt schon Oktober! Rundum springen fröhlich Fische umher, stundenlang, unglaublich. Vermutlich alles Ausreißer aus der nahe gelegenen Fischzucht, die sich über ihre neu gewonnene Freiheit freuen. Kaum liegt also unser Anker unten, hänge ich auch schon beide Angeln raus! Ich versuche alle Tricks und sämtliche Köder, leiere mir die Schultern aus beim Rein- und Rauskurbeln, alles ohne Erfolg. Nach drei Jahren Mittelmeerangeln fasse ich meine Erfahrungen folgendermaßen zusammen: (a) entweder du rundest mit 4 Knoten Speed, Heckangel und Rapallo-Köder eine Landzunge, möglichst in der Dämmerung der frühen Morgen- oder späten Abendstunden; wenn überhaupt, dann beißen sie dort, oder (b) du angelst in Hafenbecken oder (c) du marschierst zum Fischmarkt vor Ort und kauftst den Fisch deiner Wahl beim Händler.


Zur Strafe für den Mißerfolg muß ich auf den letzten Drücker noch hinauf in den Mast. Lange habe ich's vor mir hergeschoben; auf Normal Null fühle ich mich doch viel sicherer. Doch was sein muß, muß sein! Unser Windmesser zeigt nämlich seit einiger Zeit erst ab höheren Beaufortzahlen ein Lebenszeichen, und außerdem haben wir den Verdacht, dass mit unserer Funkantenne etwas nicht stimmt. Also erklimme ich im Affenklammersystem die sechzehn Meter über Deck, während Herta mit dem Spi-Fall sichert. Von da oben sieht die Welt sehr klein aus! Kräftig transpirierend, trotz der eher kühlen Außentemperaturen, werkle ich in der luftigen Höhe, und schieße auch gleich ein paar Fotos für die Nachwelt. Der Rückweg ist nicht minder schweißtreibend, und so kommt es, dass ich auch heute wieder ins kühle Naß springe. Selten so erfrischt!


Cocos Deck aus 16 Metern Höhe

Der nächste Tag bringt nochmal Sonne, und so machen wir uns in Short und T-Shirt auf zum letzten Schlag unseres diesjährigen Törns, ins Winterlager nach Korfu. Um die Ankunft hinauszuzögern, laufen wir jedes der drei Inselchen und Felsen an, die noch am Weg liegen. Doch schließlich stehen wir unvermeidlich vor der roten und grünen Tonne, die den Zufahrtskanal von Gouvia markieren. Wir sind am Ziel, die letzten Meter liegen vor uns.


Die Skyline von Korfu Stadt

Die folgenden Tage verbringen wir mit den üblichen Winterlagervorbereitungen: Segel und Leinen abschlagen, stehendes und laufendes Gut prüfen, putzen und polieren, schmieren und stauen. Ich als ausgewiesener Nichttechniker wage mich diesmal selbst an den Motorservice: Motor- und Getriebeölwechsel, Filterwechsel, Reinigen der Seewasserkühlung, Kontakte fetten - mit dem Handbuch in der Hand alles halb so wild. Im Rausch des ersten Erfolgs wird auch der Außenborder gleich noch verarztet. Das so gesparte Geld verprassen wir des abends in der Taverne bei Retsina und Lamm-Suvlaki mit unseren englischen Freunden Will & Gill, die wir in Italien kennen gelernt und nun hier in der Marina wiedergetroffen haben. Die beiden wollen auf ihrem Schiff überwintern und sich für allerlei Wartungs- und Reparaturarbeiten an Schiffen verdingen. Hartes Brot.



Unbarmherzig rückt nun auch der Krantermin näher. Am Tag X ist der Travellift von einem drängelnden Motorbootfahrer blockiert, deshalb wird Coco kurzerhand an den Kran verwiesen. Skeptisch blicken wir auf den Auslegerkran; auf die Frage, ob der denn unsere achteinhalb Tonnen trägt, kann der Marinero nur lachen: selbst 50 Tonnen seien kein Problem. Na wollen wir's hoffen. Es bleibt uns ohnehin keine Wahl, wenn wir noch aus dem Wasser wollen bevor der für heute angekündigte Starkwind kommt. Und so sehen wir bangen Blickes vom Boden aus zu, wie das Ding unser Schiffchen aus dem Wasser hebt, in kunstvollem Bogen haarscharf um einen Laternenpfahl schweben läßt, um es schließlich auf seinem endgültigen Winterstellplatz auf der anderen Straßenseite sanft zu landen. Gut gemacht, die Starre löst sich, wir atmen auf.


Krantermin in Gouvia Marina

Beim ersten Blick auf das Unterwasserschiff jubeln wir über den guten Zustand des Antifoulings. Ein paar Abblätterungen hier und da wie schon im letzten Jahr, aber im Großen und Ganzen scheint der Anstrich noch recht perfekt zu sein und wir haben kaum Bewuchs. Da muß nicht viel gemacht werden, ein paar Ausbesserungen, das können wir selber machen. Denken wir. Als dann aber eine Stunde später der Dampfstrahler sein reinigendes Werk vollbracht hat, tritt die Wahrheit in ihrem ganzen schrecklichen Ausmaß zutage: Rostflächen am Kiel und großflächig abblätterndes Antifouling. Da muß wohl doch mal der Fachmann ran und das Ganze neu aufbauen. Besonders beim Kiel besteht akuter Handlungsbedarf, denn Eisen und Salzwasser vertragen sich schlecht, soviel wissen wir noch aus der Schule.


Hier überwintert unser Schiffchen

Wie es der Zufall so will, steht neben uns eine Yacht mit einem netten kärnt'ner Ehepaar, die wiederum hier ein Pärchen kennen, das einen guten Ruf für solche Arbeiten hat. Und zufällig sind die mit ihrem Schiff auch hier in der Marina. So lernen wir die beiden kennen: im früheren Leben Zahnärztin und Architekt, sind sie vor neun Jahren vor den Kriegswirren aus Ex-Jugoslawien geflohen; jetzt reparieren sie hier Schiffe. Sie sagen, so schlecht sei der Tausch letztlich nicht gewesen, weniger Stress, viel Sonne und frische Luft, die Arbeit macht Spaß und mit den Leuten kämen sie gut zurecht. Die beiden haben sich hier im Lauf der Jahre offensichtlich schon eine kleine Fangemeinde aufgebaut, denn mit jedem Vorübergehenden werden ein paar Worte gewechselt, und da auch alte Kunden noch fröhlich mit ihnen plaudern, nehmen wir das als gutes Vorzeichen für die Qualität ihrer Arbeit. Da auch der Preis stimmt, erteilen wir den Auftrag.

Nun erklimmen wir unsere mobile Behausung also per Leiter. Das ist ungewohnt, aber dafür ist der Ausblick eindeutig besser. Theoretisch jedenfalls. Praktisch ist er Grau in Grau, warum sollte das auch heute anders sein als die letzten Wochen. Über uns ziehen im Sturmschritt die Regenwolken hinweg, ein kräftiger Wind ist aufgekommen, gut dass Coco schon gekrant ist. Für die letzten zwei Tage hagelt es Sturmwarnungen, und so laben wir uns an den Erinnerungen und lassen bei einem Glas "Ciro" aus unserem italienischem Weinkeller die Stationen unseres diesjährigen Törns nochmal an uns vorüberziehen:

Im Kielwasser liegt das herbe Westsizilien mit den pittoresken egadischen Inseln; Pantelleria, die wunderbare "Aussteigerinsel"; das abseits gelegene und sehr beeindruckende Lampedusa, wo wir im TV zusehen mußen, wie Deutschland die 2:0 WM-Niederlage gegen Brasilien einsteckte; Linosa, das unglaubliche, bizarre Eiland mit dem Vulkanhafen irgendwo im Nirgendwo. Malta, Gozo und Comino, die englisch angehauchten Schwesterinseln, die uns in eine kulinarisch fragwürdige, aber historisch sehr beeindruckende Zivilisation zurückbrachten. Die Ostküste Siziliens mit den wunderbaren Orten Syrakus und Taormina; die liparischen Inseln Vulcano, Lipari, Panarea, Salina, wo noch heute der antike Wettergott Äolus das Sagen hat; die Straße von Messina mit ihren rasanten Strömungen, Wirbeln und mit den so fragil aussehenden Schiffen der Schwertfisch-Jäger; dann die Südküste Italiens mit ihren zigkilometerlangen menschenleeren Sandstränden und den teils versandenden Häfen. Und schließlich die westgriechischen Inseln, sattgrüne Oasen im ionischen Meer mit einer unglaublichen Vielzahl herrlicher Ankerplätze.

Unser Fazit aus dieser Saison: Sizilien und die umliegenden Inseln haben uns rückblickend stark beeindruckt. Vergessen sind die seglerischen Unzulänglichkeiten des Gebietes; in der Erinnerung überwiegen die herbe Schönheit der Landschaft, die distanziert-warmherzige Art der Bewohner, die einzigartige Kultur, die traumhafte Abgeschiedenheit. Weit eher für einen klassischen, sorglosen Segelurlaub geeignet ist dagegen das Revier der Ionischen Inseln, von dem wir in Sizilien fast täglich geträumt haben. Es gibt unzählige perfekt geschützte Buchten und Ankerplätze, praktisch alle in Rufweite, Tavernen en masse (teils sogar mit Blick auf's Schiff, für den Skipper das Höchste!), die seglerische Infrastruktur ist gut ausgebaut. Hier ist reines Entspannungssegeln angesagt, dafür ist die Region aber auch fest in der Hand der Charterfirmen und Flottillen. Alles hat eben seinen Preis.

Während wir so unsere Reise Revue passieren lassen, machen wir noch eine erstaunliche Feststellung: Mit Ende des diesjährigen Törns haben wir nun schon ein ganzes Jahr unseres Lebens auf dem Wasser zugebracht. Sicher eine bemerkenswerte Tatsache für fränkische Flachlandtiroler. Die Erlebnisse sind unersetzlich, die Erfahrungen unbezahlbar. Es ist ja nicht der einzige Traum, den man so träumt in seinem Leben, aber sicher einer der schönsten. Und schließlich: Was wäre das Leben ohne Träume, und was wären Träume ohne den Willen, sie zu realisieren...

Tja, mit diesen tiefgreifend philosophischen Schlussfolgerungen verabschiedet sich "Coco de Mer" in die Winterpause. Nun kommt eine karge Zeit auf euch zu, ohne Cocomails und ohne das gewohnte virtuelle Sommerfeeling. Doch wenn die Winterabende gar zu kalt und zu grau werden, dann macht es wie wir: schaut einfach mal wieder rein zu www.cocodemer.de, und wärmt euch mit den Bildern eines Sommers an den Gestaden des Mittelmeers.


Wir verabschieden uns ins heimatliche "Winterlager"


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