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Pantelleria-Lampedusa / Juni 2002

Vorurteile und Geheimtipps

"Wenn du glaubst, Trapani sei ein finsteres Loch, dann komm erst mal nach Mazara del Vallo!" Das war wieder mal einer dieser erster Eindrücke, die uns bald zeigen, dass man kein vorschnelles Urteil treffen soll.

Am 22. Juni kommen wir mit 30 Knoten Wind im Rücken in Mazara del Vallo an. Der 40.000 Seelen-Ort liegt südlich von Marsala, wo der berühmte süsse Wein herkommt. Der Hafen ist voll mit Fischtrawlern, der kleine Steg des hiesigen Segelclubs ist auf Gastlieger nicht eingestellt. Der Vorhafen ist aber riesig, und so ankern wir hinter dem wuchtigen Wellenbrecher. Ist uns eh lieber, kost' ja nix. Es ist mit 7 Bft mal wieder windig und böig und der Wind ist brutal heiß. Aber hier liegen wir sicher. Als gegen 1900 die Hitze abnimmt, gehen wir mit dem Beiboot an Land. Wir spazieren durch die Kasbah - die Altstadt wird hier genannt wie in Nordafrika. Riesige rostige und ausgeschlachtete Fischereikähne knarren längsseits der Mole mit ihren Landleinen, leere Luken gähnen uns entgegen, zerfetzte Netze, Reste alter Schiffsmotoren. Die Mole zieht sich an einem kleinen Flüßchen, das dem Ort dem Namen gab, bis hinein in die Altstadt. Auf der anderen Straßenseite schlichte Wohnhäuser. Im rosigen Abendlicht hat das ganze noch einigen mediterranen Charme, doch wenn man es sich in der Mittagshitze vorstellt...! Grobschlächtige, wettergegerbte Gesellen dösen im Schatten, und so ganz wohl ist uns bei diesem Spaziergang nicht. Doch natürlich passiert uns nichts, wir schauen und werden beschaut, das ist alles.

Aber wir lassen uns nicht abbringen, dies ist ein ganz finsterer Ort. Meinen wir. Doch irgendwann gelangen wir auf unserem Irrweg durch die Gassen unvermutet auf eine luftige Piazza. Umgeben ist sie von einem beeindrucken Palazzo und der Kathedrale. Der Himmel glänzt dunkelblau, die Bogengänge sind beleuchtet, der Vollmond steht über den grün glasierten Kuppeln. Wir gönnen uns einen Aperitiv im Cafe. Wunderbar, dieses Mazara.

Heute ist Volksfest in der Stadt. Eine Band beschallt die Strandpromenade und den Vorhafen. Mehr laut als schön. Das kann ja heiter werden. Und so kommt's dann auch. Bis Mitternacht dröhnen die Bässe und plärren die Lautsprecher. Dann ist Ruhe. Kurz. Nach Mitternacht geht der erste Fischer raus. Dann der nächste. Und dann bis zum frühen Morgen alle 5 Minuten einer. Von wegen Fischer arbeiten sonntags nicht... Jeder macht einen Mordsschwell, und so sind wir dann auch schon früh putzmunter, lichten um 0730 Anker und machen uns auf zur Überfahrt nach Pantelleria.

Null Wind. Kein Hauch. Dunst rundum. Wir motoren. Unterwegs bringen wir Rasmus, dem Gott der Seefahrer, ein Opfer in Form mehrerer großzügiger Schlucke unseres guten, teuren Mahon-Gins. Der scheint ihm zu schmecken, denn er schiebt uns mit eineinhalb Knoten Strom südwärts, was uns auf der 60 Meilen langen Strecke (ca. 110 km) gut 7 Meilen erspart (Differenz Fahrt durchs Wasser gegen Fahrt über Grund - für die, die es interessiert). Außerdem sind wir natürlich schnell, in der Spitze 9 Knoten über Grund (bei 7,5 kt durchs Wasser). Unterwegs passieren wir Positionen mit so optimistisch klingenden Namen wie "Adventure Bank" oder "Terrible Bank". Aber alles geht klar. Bis der Nebel kommt. Mittags um 1130! Richtig dicke Suppe, wir sehen eine Stunde lang gerade noch unseren Bugkorb. Der erste echte Einsatz für unser Radar. Es ist zwar kaum was los hier, aber wenn man mit Topspeed blind durchs Nichts braust, dann fühlt man sich mit dem dritten Auge schon viel wohler.


Pantelleria!

Die "Insel der Winde" empfängt uns mit Flaute. Doch dank Diesels Erfindung und Rasmus' Hilfe (siehe oben) liegen wir schon nach 8 Stunden, statt der berechneten 11, im Hafen von Pantelleria auf der gleichnamigen Insel. Gut vertäut "im Päckchen" neben einer herrlichen luxemburgischen 50 Fuß "Super Maramu". Der nette Skipper hat uns herangewunken, längsseits zu gehen! Das wir sowas noch erleben dürfen!! Und als Zugabe bekommen wir auch noch einen prima Tipp für's Abendessen. Den Rest des Nachmittags verbringen wir dösend im Cockpit und unter Deck, der Sonne entfliehend, und versuchen den verlorenen Schlaf der letzten Nacht nachzuholen.

Abends nach 2100 erwacht der Ort zum Leben. Auf der Uferpromenade um den Porto Vecchio ist Massenauflauf. Fare bella figura ist angesagt. Jung und alt, alles ist auf den Beinen. Wir lassen uns erst die Pizza im "luxemburgischen" Geheimtipp schmecken, und machen danach selbst auch bella figura, so gut es halt geht im verschwitzen T-Shirt.

Der Platz scheint gerade entdeckt zu werden. Aussteiger mit Häkelmützchen, New-Ager, Alt-68er, alles ist vertreten. Das Völkchen ist bunt, easy going ist die Devise, alles erinnert ein bißchen an Ibiza vor 20 Jahren. Wir fühlen uns recht wohl hier.

Am nächsten Morgen holen wir unsere Mountainbikes raus und erkunden die Insel. An einem Tag ein paar Kilometer westlich, am anderen etwas östlich. Schließlich wollen wir's wissen und radeln einmal ganz rundrum. Rechnerisch sind 45 km locker in 4 Stunden zu schaffen. Aber nicht bei 35 Grad Hitze ohne Schatten, und ständiger Berg- und Talfahrt (wir hatten zwar zuvor gefragt, aber wie das so ist, die Einheimischen sagen immer, alles ist easy...). Naja, jedenfalls sind wir vor Einbruch der Dunkelheit zurück, am Ende unserer Kräfte zwar, aber voll mit neuen Eindrücken.

Die Insel fasziniert mit ausgedehnten schwarzen Lavafeldern, manchmal unterbrochen von sattgrünem Bewuchs, dazwischen immer wieder rote und lilafarbene Blütenpracht. Und überall blühende, wilde Kapernsträucher, die Spezialität der Insel. In den höheren Lagen finden wir Palmen unmittelbar neben Nadelbäumen! Seltsam. Die flachen Häuser im typischen Inselstil, "Dammusi" genannt, sind quaderförmig aus schwarzem Lavastein geschichtet, die bis zu zwei Meter dicken Mauern halten die Hitze draußen, die leuchtend weiß gekalkten Dächer dienen zum Auffangen des seltenen Regenwassers.

Im Hafen hat mittlerweile eine deutsche 20m-Yacht festgemacht. Der Skipper hat offenbar sein Geld u.a. mit der Entwicklung von Katalysatoren für Jaguar-Oldtimer gemacht. Er erzählt uns, dass der Zweimaster ursprünglich mal für Hitler geplannt worden sei, dann aber nach dem Krieg in England gebaut wurde und seither mit viel Aufwand ständig restauriert wird. Das Schiff hat 2 Masten, dazu 2 gewaltige Panzerdiesel, außerdem 2 Buganker, 2 Geschirrspül- und 2 Waschmaschinen! Wir fragen gar nicht erst, was sonst noch so alles doppelt drin ist. So was wiegt dann am Ende auch knapp 100 Tonnen. Aber ein extra Haus braucht man da nicht mehr... Am Abend schlemmen wir dort an Bord, was Küche und Weinkeller hergeben und genießen die Gastfreundschaft.

Von den Sünden der Völlerei erholen wir uns anderntags am Schwefelsee. Ein türkisfarben schimmernder Salzwassersee mitten in der Insel. Der Grund ist zäher, stinkender Schlamm. Die Leute schmieren sich das klebrige Zeug begeistert auf die Haut, wir machen das auch, und als das Zeug trocknet, sehen wir aus wie die fränkische Guerilla beim Angriff auf Pantelleria. Sehr spaßig. Aber wenn's schön macht!


Pantelleria: Der Schwefelsee Lago Specchio di Venere

Doch wir sind ja nicht nur zum Vergnügen hier. Schließlich müssen wir auch mal wieder was tun, segeltechnisch. So beschließen wir, an die Südseite der Insel zu verholen und am Abend von dort aus zur Überfahrt nach Lampedusa zu starten. So kochen wir uns an der einsamsten Stelle der Welt noch ein schönes Abendessen an Bord, und um 2200 geht's dann hinein ins Blaue, im wahrsten Sinn des Worts.

Der größte Teil der Strecke verläuft durch afrikanische Gewässer. Die sehen auch nicht viel anders aus als europäische. Zwölf Stunden später, nach einer ruhigen Fahrt unter Maschine, sehen wir Lampedusa voraus im Morgenlicht. Wir passieren die unter Naturschutz stehenden Isole de Coniglia, wo die letzten Karettschildkröten leben sollen, und legen uns dann vor Anker in eine Bucht auf... Sandgrund. Herrlich haltender, sicherer Sandgrund. Wir glauben's kaum. Tatsächlich gibt es hier zwei Sandstrände, die einzigen der pelagischen Inseln. Das ist ein Ankerplatz nach unserem Geschmack!


Lampedusa voraus im Morgenlicht

Wir holen Schlaf nach, machen einen Schnorchelgang. Später tauche ich ein in die letzten Geheimnisse unseres Funkgeräts und unseres Navigationssystems. Es gibt doch immer wieder was Neues zu finden!

Am nächsten Abend werfen wir Anker im Vorhafen von Porto Lampedusa. Optisch ist der Ort wieder eine Mischung aus Italien und Nordafrika, kubische Häuser in Ocker, Weiß und Rosa.


"Lampedusa City"

Hier auf Lampedusa finden wir ein Lokal, das wir zu den besten unserer gesamten bisherigen Seglerzeit zählen: das "Polpo Escondito". Es ist ein Ristorante mit viel Geschmack. Das gilt für die Einrichtung, für die Speisen, und hier auch für das Personal. Die fünf, sechs Leute wurden offenbar geschlossen aus einer Model-Agentur abgeworben. Aber nicht nur schön, auch noch supernett. Es ist nicht leicht, sich auf die Speisen zu konzentrieren... Naturalmente hatten wir keine prenotazione, doch das war no problemo, zwei posti sind schnell gefunden, und um uns die ohnehin kurze Wartezeit zu versüssen, reicht der Wirt vorn an der Bar erst mal zwei kleine Prosecci auf Kosten des Hauses. Wir verbringen hier einen sehr schönen Abend. Das Essen übertrifft alle Erwartungen. Immerhin ist Lampedusa ja nicht Mailand... Und last not least wird nicht einmal unser Budget übermäßig strapaziert, die Preise sind absolut ok. Also: das ist unser Geheimtipp für alle, die demnächst mal hierher kommen wollen.

Auf Sonne folgt bekanntlich Regen, und auf einen wunderschönen Abend folgt eine durchschaukelte Nacht. So verlassen wir morgens leicht übernächtigt und stark genervt den unruhig gewordenen Ankerplatz in Lampedusa und setzen Segel. Das Eiland Linosa ist unser Ziel.


Delfine begleiten uns auf den Überfahrten!


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