Türkische Südküste, September/Oktober 2003
Minarette und Hafenbars
Unter dem einsamen, gewaltigen Felsmassiv der Sieben Kaps, Yedi Burunlar, motoren wir bei Flaute gen Osten. Darauf folgt eine 7 Meilen lange Strecke über hellgrünes Flachwasser vor einer grandiosen Dünenlandschaft. Ein bis zwei Meilen von Land entfernt segeln wir auf 10 bis 20 Metern Wassertiefe! Ein seltenes Erlebnis.Nach einem kurzen Badestopp auf herrlichem, türkisfarbenem Badewannenwasser laufen wir ein in Kalkan. Der Hafen ist klein, die Yachten und Gülets ankern eng rundum, Ankersalat ist programmiert. Der Hafenkapitän fordert 27 Mio TL (türkische Lira), also ca. 18 Euro, Duschen und Toiletten extra! Da bleibt uns erst mal kräftig die Luft weg. Doch nach einem Spaziergang sind wir wieder versöhnt: der Ort ist ausgesprochen nett. Auf der einen Seite ruft der Muezzin vom Minarett, auf der anderen Seite tummeln sich die Yachties und Touristen in den Bars und Hafenkneipen unter freiem Himmel. Es gibt eine Vielzahl guter und sehr guter Restaurants.
Übrigens fällt uns auf, dass sich die türkische Restaurantszene stark von der griechischen abhebt. Gerade in den Touristenzentren finden wir sehr gepflegte Lokale vor, vielfach mit Stoff-Tischdecken und -Servietten. Die einfachen und wirklich billigen türkischen Lokale, die es vor rund zehn Jahren hier so zahlreich gab, sind dagegen kaum noch zu finden. Die Preise nähern sich nordeuropäischem Niveau, griechische Tavernen waren erheblich preiswerter. Zum Teil mag das auch daran liegen, dass Wein hier kein preiswertes Grundnahrungsmittel ist wie in Griechenland, und somit erheblich teurer. Wir sind schließlich in einem moslemischen Land. Und die enorme Seglerinvasion in diesem Revier wirkt sicher auch nicht gerade mäßigend auf die Preisgestaltung.
Kalkan: Minarette und Hafenkneipen
Ayram - gesalzener Trinkjoghurt
Zum erstem Mal trinken wir Ayram, den leicht gesalzenen Trinkjoghurt. Ayram ist in der Südtürkei ein Nationalgetränk - für uns Neulinge ziemlich gewöhnungsbedürftig, aber tatsächlich recht erfrischend.
Nach unserem weltabgeschiedenen Dasein in den Ankerbuchten der letzten Tage wird Kalkan des Nachts für uns zu einem musikalischen Babylon. Je später es wird, desto lauter das lautsprecherverstärkte Inferno rund um den Hafen. Ohrenstöpsel sind wieder mal angesagt. Doch am nächsten Morgen werden wir für die Strapazen der Nacht entschädigt: an der Pier steht ein Händler und verkauft frisches Gebäck. Zu atemberaubenden Preisen zwar, aber ein Gedicht! Bei warmen Honig-Schnecken und anderen süßen Teilchen ist die Müdigkeit schnell verflogen.
Auch vom Ankersalat bleiben wir verschont, denn wir sind mal wieder die letzten, die den Hafen verlassen. Dafür rutsche ich dann beim Ankeraufholen im Ankerkasten aus und haue mir derart den Fuß an, dass ich die Englein singen höre. Gut dass wir für solche Fälle immer einen Eisbeutel an Bord haben. Fluchend ziehe ich mich zurück; ich nehme heute meinen freien Tag und lecke meine Wunden. Herta wird das Schiff schon schaukeln!
Unser nächster Stopp heißt Kas ("Kasch"). Der Ort liegt hinter einer Halbinsel und verfügt ebenfalls über einen kleinen Hafen. Wir jedoch, gewitzt wie immer, gehen hinter der erwähnten Halbinsel vor Anker. So sparen wir uns die teuren Hafengebühren. Da es etwas pfeift, legen wir Coco's Bug mit zwei Ankern gegen den hereinlaufenden Schwell, und bringen die Heckleinen zu dem tonnenschweren lykischen Steinsarg (!) aus, der zwischen den Ruinen am Ufer im Wasser steht. Solcherart verspannt sind wir alle Sorgen los und liegen bequem, kostenlos, und mit viel Platz rundum.
Die Strafe für unsere Sparsamkeit folgt im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Fuße. Der abendliche Spaziergang nach Kas hinüber, etwa fünfzehn Minuten, ist eine Tortur für meinen malträtierten Fuß. Doch letztlich überstehe ich es mannhaft, und wir belohnen uns mit einem feinen Dinner mit Blick über den Ort und den Hafen. Das gesparte Hafengeld hauen wir für einen äußerst delikaten Red Snapper auf den Kopf...! Und der Wein hilft die Schmerzen vergessen ...
Ankerplatz bei Bucak Denizi in der Nähe von Kas
Der Ort Kas ist berühmt für seine zahlreichen Teppichgeschäfte - und für die lykischen Felsengräber, die des Nachts illuminiert von hoch oben auf den Ort herab blicken. Im Ort selbst stehen verstreut einige alte Stein-Sakophage. Bei uns zuhause wären die Dinger alle weggesperrt in Museen, hier machen Segler mit Leinen daran fest - siehe oben.
Ansonsten finden wir das Städtchen etwas sehr touristisch; das war Kalkan zwar auch, hatte aber doch etwas mehr Flair. Naja, jedem das Seine.
Teppichgeschäft in Kas
Ein weiteres Highlight an dieser an Highlights wahrlich nicht armen Küste erwartet uns auf dem Weg gen Osten: Kekova Roads und Kale Ücagiz ("Kale Üdschais"). Eine abgeschlossene Fjord- und Buchtenlandschaft, durch eine vorgelagerte, 3 Seemeilen lange Insel weitgehend geschützt gegen die offene See. Man sagt, manch Seglerkollege verbringe seinen gesamten Segelurlaub ausschließlich in diesem kleinen Revier. Das verstehen wir gut, denn hier gibt es sichere Ankerplätze ohne Ende, abwechslungsreiche Buchten mit und ohne Restaurants, wunderbare Sonnenuntergänge, eine Farbenpracht ohnegleichen.
Sonnenuntergang bei Kale Ücagiz
Absolut geschützt ankern wir auf 5 Meter Wassertiefe, auf zähem, sehr gut haltendem Schlammgrund. Das Wasser ist deshalb zwar sehr trüb, aber das tut unserer Freunde über die herrliche Umgebung keinen Abbruch. Coco liegt da wie einzementiert, keine Welle kräuselt die glatte Wasseroberfläche. Ein versunkener Hafen, eine versunkene Stadt, versunkene Sarkophage, das gibt es anderswo nicht in solcher Häufung und derart malerisch. Ücagiz ist ein Fest für's Auge, und ein Ruhepol für wind- und wellengestresste Segler.
Versunkener Lykier-Sarg bei Kale Ücagiz
Szenen im Ort Ücagiz
Per Dingi unternehmen wir Ausflüge in den kleinen Ort Kale, erklimmen das hoch über der Bucht gelegene Kastell, dicht verfolgt von aufdringlich schnatternden Tuch-Verkäuferinnen, die trotz ihrer beeindruckenden Körperfülle erstaunlich behende über die Felsen und Steine klettern. Tatsächlich gelingt es uns nicht, die "Kletten" abzuschütteln, also treten wir bald den Rückzug an. Durch die bizarre, im Wasser versteute Fels- und Gräberlandschaft knattern wir mit den letzten Tropfen Sprit zurück in den Ort Ücagiz, wo wir bei Ibrahim, den wir vor Jahren auf einem Chartertörn kennengelernt hatten, einkehren und uns stärken.
Vor den Lokalen liegt eine ganze Armada von Gülets vor Anker, am Parkplatz stehen dicht gedrängt Busse über Busse, viele Lokale sind brechend voll. Der kleine Ort platzt aus allen Nähten, er hat sich zu einem Touristenziel ersten Ranges gemausert, und doch ist es ein lohnenswertes Ziel.
Am nächsten Morgen bringt uns Ibrahim per Boot einen Laib frisches Brot zum Schiff. Beim Frühstück entschließen wir uns, noch einen Abstecher zu machen, bevor wir dann endgültig ins Winterlagen segeln. Für eine Nacht verlegen wir uns noch in den nahe gelegene Gökkaya Limani, eine Mini-Fjordlandschaft von großer Schönheit. Freilich liegen auch hier die unvermeidlichen Gülets dicht gepackt, doch in der Vielzahl an Einschnitten, kleinen Buchten und Felseninselchen entdecken wir immer noch den einen oder anderen guten Ankerplatz.
Nachdem wir die letzten Tage in diesem herrlichen Revier ausgiebig genossen haben, machen wir uns auf zur letzten Etappe der Saison, schnurstracks ins Winterlager zur Marina Finike. Am letzten Segeltag sind die Gefühle immer etwas zwiespältig. Einerseits freuen wir uns mal wieder auf Abwechslung (da gibt's gar nichts zu lachen...!), andererseits naht wieder das Ende einer wunderbaren Segelsaison mit vielen unvergesslichen Erlebnissen und Erinnerungen.
So nähern wir uns also Finike, unserem Ziel, mit recht gemischten Gefühlen. Doch für Schwermut bleibt keine Zeit, denn kaum laufen wir in den Golf von Finike, bläst uns eine derart steife Brise um die Ohren, dass wir alle Mühe haben, die Hafeneinfahrt anzusteuern. Wir funken die Marina an, und mit Unterstützung eines Marinaschlauchbootes bugsieren wir uns dann bei kräftigem Seitenwind in eine Lücke.
Da liegen wir nun! Es ist kaum zu glauben, die letzten Seemeilen dieses Jahres liegen im Kielwasser!
Die folgenden Tage sind vollgepackt mit Arbeit. Wir schlagen Segel und Leinen ab, füllen das Dingi mit Süßwasser, weichen sie in dieser "Wanne" ein und befreien sie von ihrer Monate alten Salzkruste. Wir polieren Edelstahl, reinigen Holzflächen, ölen Scharniere und Blöcke, putzen das Deck, wachsen das Gelcoat, wienern und schrubben.
Vom Marinaschreiner lassen wir passende Ausschnitte in die Bodenbretter schneiden, so dass wir nächstes Jahr unsere Getränke in der Bilge stauen können. Das ist gut für den Schwerpunkt des Schiffs - und praktisch für unsere durstigen Kehlen. Zudem gewinnen wir erheblich Stauraum.
Unser zuverlässiger Volvo Diesel bekommt einen Ölwechsel spendiert, und eine Süßwasserspülung für den Seewasserkreislauf. Der Außenborder wird mit Süßwasser gespült, gereinigt und gefettet.
So vergehen die letzten Tage wie im Fluge, vom Ort und der Umgebung sehen wir nicht viel. Und dann ist der Tag X da: Coco wird gekrant! Das ist immer wieder spannend, doch auch diesmal läuft alles wie am Schnürchen.
Vorbereitungen für's Winterlager
Coco im Travellift
Im schwindenden Licht des türkischen Spätsommerabends steht sie dann hoch und trocken da, sicher aufgebockt. Wir tun die letzten Handgriffe, schließen die Luken, bringen die Persenninge an, und dann ist auch schon das Taxi da, das uns zum Flugplatz nach Antalya bringen soll.
Wir werfen unsere zwei Reisetaschen in den Kofferraum, steigen ein, und als der Fahrer schumachermäßig losbraust, werfen wir einen letzten umflorten Blick zurück auf unsere Coco. See you next year, baby...!
Aufgebockt für die Überwinterung
Goodbye bis 2004!
PS: Wetter-Bilanz Segelsommer 2003 = 113 Tage Sonne, 2 Tage Regen!
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