Malta-Comino-Gozo / Juli 2002
Käpt'n Morgan und die Blaue Lagune
Ein Hitzerekord jagt den anderen. Wir hängen ab, machen statt zwei oder drei nur ein "Projekt" pro Tag. So besteht der Logbucheintrag am 6. Juli lediglich aus fünf Zeilen. Bißchen wenig für's Protokoll. Nach kurzer Gewöhnungsphase gibt's aber von den nächsten Tagen schon wieder mehr zu berichten:Wie wir erfahren, besitzen die maltesischen Inseln eben so viele Kirchen wie Rom, mehr als 300 an der Zahl! Darunter auch - mit 75 Metern Durchmesser - eine der größten Kuppelbauten Europas, und das auf der kleinen Insel Gozo. Jeder Haushalt hat neben der Tür oder im Fenster seinen persönlichen Heiligen hängen oder stehen. In die Gotteshäuser darf aber nur, wer lange Beinkleider trägt, mit Shorts und T-Shirts finden wir vor den Augen der Kirche keine Gnade. Dafür werden die Kirchen der Hauptstadt nachts mit grellbunten Lichterketten illuminiert. Und Abertausende maltesischer Lira werden für Feuerwerke im wahrsten Sinn des Wortes verpulvert. Kein Tag ohne Kriegslärm. Jede Gemeinde will die benachbarte übertreffen. Am Anfang zucken wir noch zusammen, wenn am hellichten Tag plötzlich in der Nähe eine Salve loskracht, aber nach einigen Tagen haben wir uns an die geräuschvollen Glaubensbekundungen gewöhnt. Am frühen Abend, manchmal noch bei hellem Tageslicht, geht's irgendwo los, und irgendwann kurz vor Mitternacht endet es. So weiß man auch, wofür man beim Kirchenbesuch seine Groschen spendet...
Unsere Ausflüge unternehmen wir mit den bunten Bussen, von denen wohl kaum einer jünger ist als dreißig, vierzig Lenze. Wahrscheinlich wurden sie nach ihrer regulären Dienstzeit in England erst noch in diversen Overseas Departments geschunden, bevor sie nun hier auf Malta ihr Gnadenbrot empfangen. Die Busfahrer schert's wenig, die knüppeln durch die engsten Gassen was das Zeug hält. Ersatzteile, z.B. für Kupplungen, dürfte es wohl nicht mehr geben. So heißt denn auch die Devise "Schalten durch Reißen". Die Klimatisierung ist quasi digital, es gibt nur ganz oder gar nicht: Beim Stop brät einen die unbarmherzige Sonne auf den Plastiksitzen, dafür kühlt bei rasender Fahrt der Wind, der mit Sturmstärke durch die geöffneten Fenster bläst.
Bunte Busse prägen das Bild Maltas
Hin- und hergerissen zwischen Frostschaden und Hitzeschlag erreichen wir so unsere verschiedenen Kulturziele: Wir besichtigen die beeindruckenden, jungsteinzeitlichen Tempelanlagen von Tarxien, statten der urzeitlichen "Höhle der Finsternis" (was für ein Name!) in Ghar Dalam einen Besuch ab, und auch die "Blue Grotto", die der von Capri kaum nachstehen soll, fehlt nicht in unserem Programm.
Die steinzeitlichen Tempel von Tarxien
Ein absolutes Muß für jeden Maltabesucher ist das "Hypogäum". Die neolithische Tempelanlage wurde um die Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts beim Bau eines Kellers mitten in der Ortschaft Tarxien zufällig entdeckt. Die Anlage, heute ein UNESCO-Weltkulturerbe, wurde in der Jungsteinzeit als Begräbnis- und Kultstätte genutzt. Vor rund fünfeinhalbtausend Jahren hatten die damaligen Einwohner begonnen, eine Art negativer Kopie ihrer oberirdischen Tempel in den Boden zu graben. Es ist faszinierend, mit welcher Präzision diese steinzeitlichen Inselbewohner, die ja nur Feuerstein und Obsidian als Werkzeuge besaßen, diese Anlage schufen. Anhand von Funden schätzt man, daß an der "dreistöckigen" Anlage über einen Zeitraum von knapp eintausend Jahren gebaut wurde. Etwa um 2.600 v. Chr. verschwand diese Kultur dann innerhalb eines kurzen Zeitraums vollständig von den Inseln. Bis heute ist nicht bekannt, wer sie waren, wodurch sie ausgelöscht wurden, welche Götter sie verehrten.
Abends bietet sich überall auf der Insel der gleiche Anblick: Grillfeuer beleuchten zu Hunderten die felsigen Ufer, die Strände und Strandpromenaden füllen sich mit picknickenden, fischenden, flanierenden Maltesern. Alles was laufen kann ist auf den Beinen. Meist nach Geschlechtern getrennt, stehen oder sitzen Männer und Frauen in Gruppen beieinander. Dazwischen flitzen Kinder auf Scootern oder BMX-Bikes halsbrecherisch die Betonpiste auf und ab. Trotz des unübersehbaren Antennenwalds auf den Hausdächern der Orte, wir glauben nicht, dass die TV Prime Time hier recht gefragt ist. Hier wird das Abendprogramm noch durch klassische Mensch-zu-Mensch-Kommunikation gestaltet. Von den Unterhaltungen verstehen wir kein Wort, Malti ist eine Sprachmischung aus Arabisch, Italienisch, Französisch und Englisch. Exotisch klingende Ortsnamen wie Marsaxlokk, Rabat, Ghainsjelem und Xaghra geben davon einen Eindruck.
Dienstag, der 9. Juli ist einer jener seltenen Tage, an denen wir tatsächlich das tun, was wir am Vorabend geplant haben. Wir dampfen hinüber nach Comino, dem kleinen Inselchen zwischen Malta und Gozo. Die "Blue Lagoon", eine der schönsten Naturbuchten des Archipels, heißt so wegen der herrlich türkisblauen Farbe ihres Wasser über dem weißen Sandgrund. Das ist sicher.
Comino, Blue Lagoon (Boote und Touristen wegretuschiert)
Aber uns drängt sich noch eine andere Interpretation auf: Nämlich, daß man hier sein blaues Wunder erleben kann: Kurz nach unserer spätvormittäglichen Ankunft - wir freuen uns gerade über den wunderschönen Ankerplatz mit dem glasklaren Wasser - sehen wir mit Schrecken, wie Captain Morgan mehrere seiner großen Ausflugsdampfer gegen uns in den Kampf wirft. Gleich vier bedrängen uns fast zeitgleich an unserem Ankerplatz. Die romantische Bucht füllt sich mit Scharen fröhlicher Ausflügler, die jeden Winkel mit Matten, Schirmen und Kühltaschen belagern. Die Wände hallen vor Geschrei wieder, auch eine Bierdose segelt schon mal durch die Luft. Eine der malerischsten Buchten im Mittelmeer, aber kein bißchen idyllisch mehr. Sehr schade!
Wir hoffen auf den Abend. Und tatsächlich - die Umgebung hüllt sich in wattezartes Licht, und der Schauplatz leert sich. Wir wollen schon den Schampus rausholen, doch da, was ist das...?! Captain Morgan am Horizont. It's Partytime! Schwimmen im Mondlicht bei Discomusik und Karaoke! Wir suchen verzweifelt unsere Ohrstöpsel.
Am nächsten Morgen - die ersten Touristendampfer fahren um 0800 Uhr schon wieder ihre Angriffe aufs Paradies - verlegen wir uns eiligst in eine ruhigere Nachbarbucht. Hier testen wir ausgiebig unsere Neuerwerbung, den Mini-Breather, das kleine 4-Liter-Bordtauchgerät. Abwechselnd tauchen wir die Grotten der Umgebung ab; für etwas mehr als eine halbe Stunde reicht es locker. Und im Tauchshop des Strandhotels ist die Flasche schnell wieder gefüllt.
Unsere Bord-Vorratskammern bieten mittlerweile ein Bild des Jammers. Auch sie müssen dringend neu gefüllt werden. Dazu geht es nochmal rüber nach Malta. Bugibba ist ein typischer Urlaubsort oberhalb von Valetta. Betonburgen und Neonlicht bestimmen das Bild. Bingohallen reihen sich an Souvenirstände, Fastfoodlokale an Plastikbars. Volksfeststimmung. Die Auswahl in den Supermärkten ist bedauernswürdig. Die Wurst- und Käsetheken locken nicht mit optischen Reizen, und die blassen Obst- und Gemüseleichen schrecken uns ab. Ausbeute: 2 Äpfel - und 2 neue Shorts. Damit sind wir nun zumindest modisch optimal gerüstet für unsere bald bevorstehende Rückkehr ins Land der Bella Figura.
Zum Abschluß unseres außereuropäischen Ausflugs besuchen wir noch die Insel Gozo. Zur Abenddämmerung treffen wir im Hafen von Mgarr ("Mdscharr") ein. Der raume 5er-Segelwind, der uns so schön hierher geschoben hat, verfolgt uns leider auch noch im Hafen und verursacht einigen Schwell, der das bevorstehende Anlegemanöver am tanzenden Schwimmsteg ziemlich spannend werden läßt. Doch Herta ist Skipper of the Day, und so klappt es perfekt. Das Hafenstädtchen belohnt uns dafür mit gleich mehreren guten Restaurants! Die Sehenswürdigkeiten der Insel erkunden wir per Bike. Dabei wird uns leider das einzige geklaut, was wir nicht mit angekettet haben: das Werkzeug aus der Satteltasche. Naja, wenigstens haben wir diesmal die Vorderräder behalten ...!
Gozo, leider auch hier Hotelburgen (Xlendi Bay)
Dafür sind die Marina-Mitarbeiter die Freundlichkeit in Person. Wegen des Schwells haben wir uns am Ankunftstag an einen Privatplatz gelegt. Doch erst nach einigen Tagen werden wir sehr freundlich gebeten, "gelegentlich" und nur "wenn es uns keine Mühe macht", an den Gastliegersteg zu verholen. Es ist den Marineros sichtlich unangenehm, uns mit diesem Ansinnen zu belästigen. Das tun wir dann aber auch gerne, soviel Höflichkeit in Marinas ist selten. Und als wir eines Tages an der Bushaltestelle stehen, dauert es keine zwei Minuten, bis eine nette alte Dame in einem klapprigen Vehikel neben uns anhält und uns einen free ride zu unserem Ziel anbietet. Das sind nur zwei Beispiele von vielen; die Menschen hier haben bei uns insgesamt einen sehr freundlichen, aufgeschlossenen Eindruck hinterlassen.
Am Vorabend unserer Ausreise klarieren wir vorschriftsmäßig bei Customs und Immigrations aus. Wir haben den Eindruck, daß dieses strikt vorgeschriebene Prozedere hier von den Yachties nicht gerade akribisch genau befolgt wird. So richtig klar ist den Officers nämlich nicht, was wir von ihnen wollen. Schließlich wird aber doch der Sportteil der Tageszeitung beiseite gelegt, und nach einigen wichtig klingenden Telefonaten knattert schließlich der Police Officer des Dorfs auf dem Mofa heran, setzt eine ungemein beeindruckende, amtliche Mine auf, sieht sich unsere Papiere sehr intensiv an, und entläßt uns schließlich offiziell in die Freiheit.
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