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Türkische Riviera und Lykische Küste / Juni 2004

Ballermann auf türkisch



Nach unserem mehrtägtigen Abstecher ins türkische Hinterland fahren wir zurück ins "heimatliche" Finike. Kilometer um Kilometer rosa blühender Oleander, als Spurtrennung der gut ausgebauten Fernstrasse. Da soll nochmal einer behaupten, Kohlendioxid sei schädlich für die Pflanzenwelt! Wir begegnen skurrilen Gefährten: motorisierte Dreiräder kommen uns unverhofft auf der falschen Fahrbahnseite entgegen, Eselskarren kreuzen gemächlich den Highway, wir sehen die üblichen Mopeds mit drei bis vier Passagieren, immer wieder überholen wir hoch beladene, schwer schwankende, ruß-stinkende Lkws, die aussehen, als kämen sie direkt aus der fernsten Ecke des Iran. Es ist Sonntag. Unter jedem Baum, der die Strasse säumt, steht ein Pkw, darum sitzen, hocken und liegen ganze Großfamilien beim Picknick. Wieder begeistert uns die farbenprächtige Landschaft mit ihren sattgrünen Bäumen und blühenden Wiesen. Günstig am Weg liegt die Ihlara-Schlucht, auch "Grand Canyon der Türkei" genannt. Eine Stunde Fußmarsch durch diese phantastische, bizarre und außerordentlich schöne Schlucht muss heute einfach noch sein!


Die Ihlara Schlucht, der "Grand Canyon der Türkei"

Das berühmte Side wollen wir nicht auslassen. Wahrscheinlich eine der ältesten Siedlungen der türkischen Südküste, entpuppt sich Side heute als ein Magnet für Millionen sonnenhungriger Touristen, die sich tagsüber Ihren Sonnenbrand und nächtens Ihren Rausch holen wollen. "GET DRUNK CHEAP!", "BILLIG BESAUFEN!" und "1 BEER 1 EURO!" steht denn auch gleich in Großbuchstaben auf einem der ersten Barschilder, die wir zu Gesicht bekommen. Na prima, hier wird es uns gefallen! Als wir dann ein Hotelzimmer gefunden haben, direkt unter'm Dach und auf geschätzte 45 Grad temperiert, spazieren wir vorbei an den Ruinen des klassischen Altertums in den Ort hinein. Uns packt das blanke Entsetzen: Side ist ist eine einzige Anhäufung billigster Souvenirläden ("billig" im Sinn von "lumpig", nicht unbedingt von "preiswert"), an jedem Laden laute Anmache der übelsten Sorte. Wir trotzen dem Getümmel eine Weile, und suchen uns dann ein Lokal für's Abendessen. Entgegen unserer Befürchtungen finden wir sogar eine recht freundliche Wirtschaft, und auch der Fisch ist frisch und lecker. Die Rechnung ist dann allerdings auch gesalzen und gepfeffert.


Auf tiefer gehende Erkundungen Sides verzichten wir und fahren anderntags unverzüglich weiter. Antalya, die Millionen-Metropole, liegt noch auf unserem Weg. Der internationale Flughafen ist bekannt, hier landen die meisten Urlauber mit Ziel türkische Riviera. Weniger bekannt ist, dass Antalya eine sehr attraktive Altstadt besitzt, mit einem malerischen, alten Hafen. Leider dürfen hier, unterhalb der wehrhaften Befestigungsmauern, seit längerer Zeit schon keine Yachten mehr festmachen, der Hafen ist komplett reserviert für die unvermeidlichen Gülets. Yachten müssen in die Marina im Industriehafen. Uns kann's egal sein, wir sind ja auf vier Rädern unterwegs. Nach ausgiebigem Bummel durch die Altstadt nutzen wir die Möglichkeit zu einem Großeinkauf in einem riesigen Supermarkt, dann geht's endgültig weiter nach Finike.

Frisch erholt vom "Landurlaub", wage ich mich noch einmal an das gefürchtete Thema "Mobiler Internetzugang". Diesmal mit der Kombination aus Apple Notebook und der genialen Software "Mobile High Speed" (Details für Interessierte: klick). Nach einem hilfreichen Telefongespräch mit dem sehr kompetenten Support selbiger Firma bin ich schon online. Ich kann's kaum glauben. So einfach kann das Leben sein. Und dann die zweite freudige Überraschung: Es ist wahr, der schnelle mobile Internetzugang zu günstigen Preisen, es gibt ihn! Abrechnung nach Datenvolumen, 1 MB unter 90 Euro-Cent. Zum Vergleich: in Deutschland kostet 1 MB ca. 30 Euro! (Details: klick). Damit ist für uns Internet von Bord nun fast billiger als in jedem Internetcafé!

Euphorisiert von diesem unverhofften und problemlos errungenen Erfolgserlebnis, werfen wir am nächsten Tag die Leinen los.

Endlich wieder auf See! Das 15 Meilen entfernte Revier um die Insel Kekova ist unser erster Stopp. Mit Müh und Not schrammen wir an einem heftigen Gewitter vorbei, das am Festland hängen bleibt, und machen in unserer ersten Ankerbucht der Saison fest. Nach dem Rummel der vergangenen Tage wählen wir Karaloz Bükü, die wir "Pferdekopfbucht" nennen, weil sie die Form eines Pferdekopfes hat. Hierher verirren sich nur wenige Schiffe, vermutlich weil die Bucht außerhalb des ansonsten perfekt geschützten, binnenseeählichen Reviers von Kekova Roads liegt. Das Ankermanöver mit Landleinen klappt auf Anhieb, als wär's gestern gewesen, nix verlernt! Es gibt Pasta an Bord, nachdem sich die abendliche Wespenplage verzogen hat.

Die nette Crew der einzigen Yacht, die außer uns hier liegt, bringt uns am nächsten Vormittag unverhofft ihre gesamten Biervorräte rüber. Es sind schweizer Chartersegler auf dem Heimweg nach Finike. Heute abend müssen sie ihr Schiff zurückgeben, deshalb wird das Lager geräumt. Wir sagen nicht nein zu dem großzügigen Angebot, und leeren auf ihr Wohl an Ort und Stelle gleich ein paar kühle Bierchen. Mittags. Muß ich noch sagen, dass der nachfolgende Nachmittag irgendwie unbemerkt an uns vorüber geht...?


Wir passieren wir die westlichste der griechischen Inseln, zugleich den westlichsten Vorposten Europas, die kleine Insel Kastelorizo (Megisti). Die griechische Gastlandflagge liegt schon griffbereit im Cockpit, als wir uns dann doch entscheiden, noch bis Kalkan weiterzusegeln. Delfine begleiten uns ein Stück Wegs. Einmal mehr fällt uns auf, dass die Tierchen hier im östlichen Mittelmeer scheuer zu sein scheinen als ihre Kollegen weiter westlich, denn hier erleben wir selten, dass sie bis ans Schiff heranschwimmen oder gar längere Zeit um Coco herum tollen, wie es dort fast der Normalfall war. Trotzdem, die Begegnung ist immer wieder herzerfrischend!

In Kalkan gehen wir wieder in den winzigen Hafen direkt am Ort, ärgern uns wieder über die unverschämten Liegegebühren und den garantierten Ankersalat, freuen uns danach wieder über den hübschen Ort und genießen abends auf der schön dekorierten Dachterrasse von "Belgin's Kitchen" beste türkische Küche, auf Kissen am Boden sitzend.


In Kalkan - Restoran auf der Dachterrasse

Das Traumrevier des Golfs von Fethiye ist unser nächstes Ziel. Wir sind in dieser Saison zwar auf Gegenwindkurs abonniert, doch im Fethiye Golf können wir heute ein paar Stunden wunderbares Segeln genießen. Wir klappern ein paar Buchten ab. Die Entscheidung fällt schwer; was soll man auch machen, wenn ein Ankerplatz einladender ist als der andere? Wir entscheiden uns dann aber doch noch, werfen den Anker, bringen die Landleinen aus, legen unsere zwei schweren Festmacher-Ketten um die Felsen, machen fest. Wunderbar. ...Nein, doch nicht. Der Anker fasst nicht. Also: nochmal das Ganze. Beide Landleinen los, einholen, Anker auf, neues Manöver. Wir geben was wir haben, immerhin siebzig Meter Edelstahlkette, und diesmal hält's! Leider stellen wir beim Manöver fest, dass die Ankerwinsch nur noch rauf, nicht mehr runter geht. Rauf ist wichtiger. Runter fällt's von alleine. Dennoch, neue Arbeit steht an. Die Freuden des Segelns? Na, es gibt Schlimmeres.

Der nächste Nachmittag steht an Bord von Coco ganz im Zeichen des "Tags der Arbeit". Fehlersuche Ankerwinsch. Relais ausbauen, aufmachen, zusammenbauen, testen. Winschmotor ausbauen, aufmachen, zusammenbauen, testen. Spannungsprüfung. Durchgangsprüfung. Das ganze Programm. Seltsam, immer wieder scheint es in Ordnung zu sein, dann wieder nicht. Ich vertage es auf morgen.


Mein Angstgegner, die Ankerwinsch!

Des Abends, wir sitzen gemütlich beim Sundowner im Cockpit und unterhalten uns über des Tages Müh' und Qual, da fällt uns wieder mal auf, wie klein die Welt doch ist: Da liegen nun wir zwei Deutsche in einer Bucht in der Türkei, an Bord eines englischen Schiffs mit französischem Namen, trinken griechischen Wein zu italienischer Pasta und rauchen karibische Zigarillos. Kurz nach Sonnenuntergang strömt unvermittelt extrem warme Luft herbei, es ist als säßen wir im Luftstrom eines Haarföns. Kurz darauf wieder normal warme Luft, dann wieder sehr heiße. Das Spiel geht ein paar Mal, dann ist's vorbei. Eigenartig.


Anderntags nehmen wir das Winsch-Problem noch einmal auf. Auch die Firma SVB in Bremen (klick) binden wir wieder ein, einen Schiffsausrüster, dessen erstklassiger Kundenservice uns schon mehrfach gute Dienste geleistet hat. Auch diesmal haben wir Glück und geraten am Telefon an einen kompetenten und freundlichen Mitarbeiter, der uns hilft, der Ursache auf die Spur zu kommen. Herzlichen Dank! Um es nun kurz zu machen: Wir haben einen Kabelbruch! Eines der Kabel zum Winschmotor ist an der Kontaktstelle gebrochen und wird nur noch vom Isoband zusammengehalten. Herta quetscht sich in die Vorpiek, um dem Kabelverlauf auf die Spur zu kommen und die fehlenden 2 cm des störrischen Kabels rauszuquetschen, dann setze ich es provisorisch in Stand, alles paletti, das Teil funktioniert wieder.

Der Fethiye Körfezi ist ein bestens geschütztes Revier - fast Binnenseefeeling - und bietet Buchten zuhauf. Ein Segler kann hier leicht eine Woche zubringen. Außerdem gibt es zwei Orte, die unter Seglern einen guten Ruf haben: eben Fethiye, und Göcek (sprich "Götschek"). Göcek ist etwas mondäner, alles ist hier etwas schöner, unaufgeregter, edler als anderswo an dieser Küste. Allein in Göcek dienen sich vier Marinas den Seglern an, und es gibt einige kleine Schiffsausrüster, wo wir auch den nötigen Kabelschuh bekommen, um unsere Ankerwinsch wieder in einen perfekten Zustand zu versetzen. Solche Fünfzig-Cent-Teile können sehr wertvoll sein auf Segelbooten fernab der Zivilisation!


Mastenwald in einer der vier Marinas von Göcek

Zum Abschluß unseres Fethiye-Golf-Törns noch ein "Geheimtipp": Kapi Creek. Die winzige Bucht hat eine Taverne und einen klapprigen Holzsteg, an dem ein paar Yachten festmachen können. Sehr hübsch und sehr romantisch. Allerdings sicher nicht sehr geheim.


Kapi Creek im Golf von Fethiye

Mit einigen türkischen Gülets teilen wir uns einen wunderbaren Ankerplatz vor Ekincik ("Ekintschik"), in der Nähe des Dalyan Flußdeltas und des antiken Kaunos. Gestern abend hatten wir uns mit einem lokalen Führer zur Flußfahrt verabredet. "African Queen Feeling" verspricht vollmundig der Prospekt des örtlichen Tourismusverbandes. Kurz vor zehn Uhr geht denn auch das bestellte Boot längsseits und holt uns zwei zur Flußtour ab. Die Kayiks, mit denen die Touristen hier ins Dalyan-Flußdelta geschippert werden, sind kleine breitbordige Boote, die in ihrem früheren Leben mal als Fischerboote im Einsatz waren, und dann von findigen Unternehmern vermutlich en masse aufgekauft wurden, um sich ihr Gnadenbrot als Touristenboote zu verdienen. Unser Kayik ist zwar nicht ganz die "African Queen", aber es wird immerhin von viel Farbe, Leim und Nägeln zusammengehalten, ist mit stark verblichenen türkischen Webwaren ausgelegt und wird von einem ebenso kräftigen wie kräftig stinkenden Dieselmotor angetrieben.


"African Queen" Feeling im Dalyan Delta


Nach der Überfahrt von unserem Ankerplatz quer durch die offene Bucht geht es laut knatternd ins Dalyan-Delta hinein. Vorbei an langen, feinsandigen Stränden, an denen die Caretta-Schildkröte ihre Eier ablegt und die unter Naturschutz stehen (was ist eigentlich mit all den den Badegästen, die wir hier sehen...?), passieren wir die Flußmündung, die der Schwemmsand auf eine Tiefe von nur mehr 70 Zentimetern verflacht hat. Für Coco mit ihren 170 cm Tiefgang wäre das also nichts, aber für "Powerboats" ist die Zufahrt in die Schilf- und Flußlandschaft ohnehin "off limits".

Das Labyrinth der Wasserwege ist äußerst beeindruckend. Da wir unseren Privathubschrauber nicht an Bord haben, hier ein kopiertes Foto aus dem sehr empfehlenswerten Bildband "Türkei - Küsten aus der Luft" von Peter Kleinoth (bei Amazon zu bestellen: klick):


Das Dalyan Flußdelta aus der Luft

Wir tuckern also vorbei an Krebsfischern, die ihre Kayiks im Schatten spendenden, meterhohen Röhricht festgebunden haben und auf Käufer warten. Scharen von touristengefüllten Kayiks knattern uns entgegen, überholen uns oder werden überholt. Die grünen Wasser des Flusses werden durcheinandergewirbelt und in Bewegung gebracht, dass den unzählichen Fischen und Vögeln Hören und Sehen vergehen muss. Soviel also zum Naturschutz, an dessen Unterhöhlung wir freilich durch unseren Besuch selbst kräftig beteiligt sind.

Wir tun Buße mittels eines schweißtreibenden Fußmarsches durch die Überreste des alten Kaunos. Die Stadt hatte ihre Blütezeit vom 5. Jh.v.Chr. bis etwa ins 3. Jh.n.Chr. Die sichtbaren Überreste, Theater, Thermen, stammen alle aus römischer Zeit. Damals war Kaunos eine Hafenstadt und lag direkt am Meer. Es verlor später seine Bedeutung, als die Zugänge immer mehr versandeten, ein Schicksal, das Kaunos mit anderen berühmten Stätten, wie z.B. Ephesos, teilt. Heute liegt Kaunos zwei Kilometer landeinwärts. Von oben kann man die frühere Hafenbucht noch erahnen.

Natürlich bewundern wir auch die Lykischen Felsengräber, die vor zweitausend Jahren von einem weitgehenden unbekannten Volk hoch droben in die steilen Felswände gemeißelt wurden.


Lykische Felsengräber am Dalyan River


Die Fischer am Dalyan haben sich eine besonders hinterhältige Methode ausgedacht, um reiche Beute zu machen: Jahr für Jahr schwimmen Tausende bedauernswerter Meeräschen sorglos den Flußlauf hinauf, um im frischen Wasser des Köyceyiz-Sees zu laichen. Doch auf dem Rückweg zum Meer lauert das sichere Ende: Netze und Gitter versperren alle Ausgänge. Damit die Touristenboote den Fluß überhaupt befahren können, sind an einigen Stellen "Schleusen" errichtet, an denen die Gitter abgesenkt werden, sobald sich ein Boot nähert; hat das Boot die Stelle passiert, werden die Gitter wieder hochgezogen. Alles von Hand, per Holzkurbel. Bei der Menge an Booten, die die Gegend bevölkern, sicher ein Knochenjob.


Dalyan - Kayiks vor dem Minarett einer Moschee

Nach einem Besuch des Ortes Dalyan, der dem Fluss den Namen gab (oder umgekehrt?), sind wir am Nachmittag zurück bei Coco, außer einer Bavaria in respektabler Entfernung keine Yacht und keine Gület weit und breit. So muß das sein! ...wir werden noch zu Einsiedlern. Als sich die Bucht am nächsten Morgen zu füllen beginnt, gehen wir ankerauf. Ein Schlag von 30 Meilen bringt uns an den südwestlichsten Zipfel der Türkei. Bei spiegelglatter See motoren wir los, stündlich legt der Wind zu, bis wir dann schließlich gegen 5 Bft wahren Wind anbolzen. "Gentlemen never go windward", dieser kluge Spruch wird uns wohl in diesem Sommer nicht weit bringen. Liegen doch alle Ziele nördlich oder westlich, also eben da, wo der Meltemi herkommt.


Bozuk Bükü ist eine weiträumige Bucht, deren kleinere Einbuchtungen von den einheimischen Restoran-Besitzern mit Stegen oder Bojen zugebaut sind. Schon beim bloßen Verdacht, eine Yacht könnte sich nähern, stürmen überall Leute hervor und versuchen, mit signalroten Fendern winkend oder wie ein Gummiball auf und ab hüpfend, das einlaufende Schiff auf sich aufmerksam zu machen, auf dass es gerade vor ihrem Lokal festmachen möge. Wenigstens ist die Benutzung der Stege oder Bojen kostenlos; für den "Service" wird natürlich erwartet, dass man sich abends zumindest im zugehörigen Lokal sehen läßt. Unbehelligtes Ankern ist hier kaum möglich. Die Türken verstehen ihr Geschäft! Wir gehen also an eine Boje, was freiem Ankern noch am nächsten kommt, und tafeln abends im Lokal, nicht besonders gut, dafür aber auch nicht besonders preiswert.... In der Glotze läuft dazu eine Art "Türkei sucht den Superstar". Recht schnell sind wir wieder bei Coco. Trinken wir eben unseren Raki an Bord.



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