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Juli 2006 | Golf von Korinth und Patras

Vom Poseidontempel zum Nabel der Welt


Cap Sounion
Der Poseidontempel am Kap Sounion

Ungerührt blickt Poseidon aus seinem Tempel am Kap Sounion über weiße Schaumkämme auf den Kampf Cocos gegen die Elemente herab. Bei 20 Knoten Wind haben wir vor wenigen Minuten aus der Olympic Marina abgelegt. Um das Kap herum fegen Windböen übers Wasser und peitschen es auf. In der Spitze um 30 Knoten. Doch als wir etwa eine Stunde später in den Saronischen Golf hineinsteuern, legen sich die Gewalten, es pendelt sich ein auf Nord vier bis fünf. Idealkurs. Nach vierzig Meilen laufen wir im goldenen Abendlicht zwischen der Methanon-Halbinsel und Aegina hindurch. Um 20 Uhr machen wir fest im netten, kleinen Hafen von Vathi (37°35,6N, 023°20,35E). Ich notiere volle tausend Meilen im Logbuch der Saison.

Der freundliche Grieche im weißen T-Shirt, der unsere Leinen annimmt, stellt sich als Harbour Master vor. Sind schon echte Scherzbolde, diese Griechen, denke ich belustigt. Doch über meine joviale Frage "You're joking, right?" ist er gar nicht sonderlich amüsiert. Als mir klar wird, dass es sich nicht um ein Späßchen handelt, erkläre ich ihm, dass ich in den vergangenen zwei Monaten kaum je einen Hafenmeister angetroffen habe, und bitte gebeugten Hauptes um Verzeihung. Wir vertragen uns und ich berappe ohne Murren die geforderten Liegegebühren von 4,70 Euro. Vathi ist ein hübscher Ort mit kleinem Hafen, an dem etwa zehn Yachten Platz haben. Die Tavernenzeile liegt direkt am Anleger. Man isst gut und preiswert, mit direktem Blick auf sein Schiffchen, was uns Segler ja - zugegeben - stets besonders erfreut.

Am nächsten Morgen, nach einer guten Tasse Kaffee, holen wir das aktuelle SMS-Wetter ab. Die Vorhersage verspricht schwache Winde im Golf von Korinth. Das wollen wir ausnutzen, denn dort drüben hat es meist stärkere Westwinde, die uns also auf die Nase blasen würden. So lassen wir die verlockenden Tavernenanleger von Korfos links am Wege liegen und steuern direkt die Kanaleinfahrt an. Unterwegs treffen wir auf eine Schule Delfine, und tatsächlich kommen sie zu uns, veranstalten ein Wettrennen, springen und spielen vergnügt um Coco herum! Kann man sich einen schöneren Abschied aus den Gewässern der Ägäis vorstellen?

Delfin

Kurze Zeit später erkenne ich die Gebäude von Isthmia im Fernglas. Dort liegt die Einfahrt zum Kanal. Auf den letzen Meilen vor der Kanaleinfahrt blasen uns kräftige Windböen entgegen. Wir sind darauf eingestellt, die Region ist für ihre teils heftigen Böen aus West bekannt. Um 1530 gehen wir am Wartekai längsseits, ich werde im Kanalbüro vorstellig, um den Papierkram zu erledigen und berappe stolze 143,80 Euro für die Passage. Der Kanal von Korinth gilt als die teuerste Wasserstraße der Welt - pro Meter Kanal-Länge gerechnet. Dafür ist er vierundzwanzig Stunden am Tag durchgehend geöffnet. Abwechselnd wird er einige Stunden in der einen, dann in der anderen Richtung befahren. Auf meine Frage, wann wir mit der Durchfahrt rechnen können, meint der Beamte lapidar: "half an hour". Die berühmte griechische Halbe Stunde. Nicht umsonst ist eines der meist gehörten griechischen Wörter "perimeno", warten. Wir demontieren das Bimini, schließlich wollen wir im Kanal freien Blick nach oben haben.

Ein riesiges Kreuzfahrtschiff bugsiert sich nur Zentimeter von den beiden Seitenwänden entfernt aus dem Kanal Richtung Osten und gleitet bedrohlich nah an den am Kai wartenden Yachten vorbei. Alle Yachties werfen besorgte Blicke auf ihre im Schwell knarrenden und ächzenden Fender und Leinen. Und dann ist es soweit: Kurz nach 18 Uhr geht die blaue Flagge am Mast hoch, das Signal zum Aufbruch für Schiffe mit Kurs West. Zunächst passiert aber nichts, die versprochene Aufforderung per Funk bleibt offenbar auch hier wieder aus. Einige Yachten legen dennoch ab, bekommen prompt einen amtlichen Anschiss über Funk. Ich frage deshalb sicherheitshalber per Funk nach, und schon heißt es hopphopp, nicht trödeln, schnell los und hinein.

In nur wenigen Metern Entfernung ragen links und rechts die gelben Felswände bis zu 80 Meter senkrecht empor. Das ständig aufgewirbelte Wasser ist hellgrün wie in einer Badedas-Wanne. Die knapp dreieinhalb Meilen lange Fahrt in dem engen Kanal ist tatsächlich ein einmaliges Erlebnis. Auch wenn es schon frühere Versuche gab, wurde der Kanal erst im Jahre 1893 fertig gestellt. Zwar wurden bereits in der Antike an dieser Landenge Schiffe von der Ägäis-Seite zur Ionischen Seite befördert, damals allerdings auf dem Landweg! Zu diesem Zweck gab es einen eigens gepflasterten und geschotterten Weg, den "Dhiolkos", über den die Boote mühsam mit Pferde- oder Ochsenkraft gezogen wurden. Drei bis vier Tage dauerte damals die Querung. Heute schafft man es auf dem Wasserweg in einer guten halben Stunde.

Kanal von Korinth
Kanal von Korinth
Kanal von Korinth

Nachdem uns der Kanal in den Golf von Korinth ausgespuckt hat, stellt sich die Frage, wohin zum Übernachten. Die Sonne steht bereits tief, viele Möglichkeiten gibt es nicht in unmittelbarer Nähe. Wir nehmen Kurs auf den "Korinth Small Harbour", den unser Handbuch als brauchbar ausweist. Leider wurden hier im Hafen offenbar neuerdings zwei Holzpontoons ausgelegt, vorwiegend belegt von einheimischen Ruderbooten und anderen Kleinstfahrzeugen. Für spät ankommende Yachten ist es dadurch schwierig geworden, einen sicheren Platz zu finden. Die einzige brauchbare Möglichkeit, die wir noch sehen, ist längsseits an einer schönen, rotbraunen Stahlyacht, die allerdings deutlich kleiner ist als Coco und deren Bordwand ein ganzes Stück niedriger ist als die unsere. Die holländischen Eigner sind an Bord, wir fragen, und natürlich dürfen wir längsseits kommen. Wir hängen die Fender tief und kurz darauf sind wir fest.

Korinth entpuppt sich beim Landgang als moderne, griechische Stadt mittlerer Größe. Es gibt eine gute Auswahl an Bäckereien, Obst- und Gemüsehändlern und Fleischereien, so dass wir die Gelegenheit nutzen und unsere Lebensmittelvorräte aufstocken. Die menschenleeren Alkioniden-Inseln locken uns, da kann etwas frischer Proviant sicher nicht schaden.

Auf dem Weg zu dem kleinen Inselarchipel, das sich im hinteren, nordöstlichen Teil des Korinthgolfs versteckt, treffen wir immer wieder auf Delfine, zweitweise mögen es an die fünfzig Tiere sein! Am frühen Nachmittag haben wir die kleine Inselgruppe erreicht. Zoodokos runden wir südlich, um dann im nördlichen Riffeinschnitt zwischen Zoodokos und Dhaskalio zu ankern. Eine Yacht liegt hier bereits, wir ankern zwischen dieser und Zoodokos auf etwa 6 m Tiefe und Sandgrund. Ein Schnorchelgang ergibt allerdings, dass der Schwojbereich enger ist als es aussieht, da der Grund zum Land hin schnell ansteigt. Wir ankern ein zweites Mal, diesmal mittig auf etwa 16 Metern Tiefe, doch hier besteht der Grund aus derart nachgiebigem Schlamm, dass sich unser Anker nicht sicher eingräbt. Wir beschliessen, uns den Ankerplatz weiter südlich an der Westseite von Zoodokos näher anzusehen (38°06,7N, 022°59,5E). Und siehe da, hier sind die Bedingungen nahezu perfekt: 6 Meter Wassertiefe, gut haltender Grund, Raum zum Schwojen, das Inselchen Giaronisi mit dem kleinen, nördlichen Praso als brauchbaren Schutz gegen den schwachen Westwind (bei Starkwind aus West würde ich den Platz allerdings nicht empfehlen). Der Strand besteht aus roten, mittelfeinen Kieselsteinen, leider durchsetzt mit dem unvermeidlichen, angeschwemmten Plastikmüll; Transparent, Weiß und Blau sind dabei die vorherrschenden Farben. Und das, obwohl unsere Freunde Chris und Alison von der SY Namaste erst kürzlich den Strand und das verlassene Kloster mühsam gesäubert hatten! Eine schreiende Möwenkolonie fühlt sich dennoch wohl hier und hält den einsamen Strand besetzt, jedenfalls so lange, bis ich hinausschwimme und sie aufschrecke. Unter lautem Protest erhebt sich die Großfamilie und segelt zu höheren, ungestörteren Plätzen, von wo aus sie mich Eindringling verärgert und lautstark beschimpfen. Von des Tages Mühsal stärken wir uns abends an Bord bei gebratenen Lamm- und Schweinekoteletts aus Korinth, griechischem Wein und kühlem Wasser, und bereiten uns vor auf ein weiteres Highlight unseres Törns, das berühmte Orakel von Delphi.

Glattes wasser
Am nächsten Morgen, es ist Samstag, kommen Motorboote mit Wochenendausflüglern, Zelten und Holzkohlengrills vom nahen Festland herüber zu unseren gleich nicht mehr so einsamen Inseln. Für uns das Zeichen zum Aufbruch. Itea heißt unser heutiges Ziel, der dortige Hafen soll uns als sicherer Liegeplatz für unseren Ausflug nach Delphi dienen. Über die blanke, glatte Wasserfläche motoren wir wie über eine in der Hitze spiegelnde Asphaltstraße. Im Norden säumen graubraune Hügel und kahle Bergrücken von immensen Ausmaßen unseren Weg. Mächtig, gigantisch, urzeitlich, flirrend im Dunst.

Itea Marina
Bei unserer Ankunft in Itea Marina liegen mehrere Yachten, mit weiten Abständen voneinander, längsseits an der Innenseite der großen Außenmole. Seit fünf Jahren fast fertig, gibt es im Hafen von Itea noch immer weder funktionierenden Strom noch Wasseranschluss. EU-Wahnwitz. Wie so oft sind auch hier praktisch alle der eigentlich für Yachten vorgesehenen, stark dimensionierten Betonstege im Hafen entweder von einheimischen Klein- und Gummibooten oder kleineren Fischereifahrzeugen belegt. So gehen wir ebenfalls an der Außenmole längsseits und vertäuen Coco mit langen Leinen und Springs an den für unsere Schiffsgröße viel zu weit auseinander liegenden Pollern und Ringen. Was soll's, der Hafen bietet immerhin exzellenten - und kostenlosen - Schutz. Erste Maßnahme gegen die glühende Julihitze: Sonnensegel aufspannen. Zweite Maßnahme: Sprung ins kühle, klare Hafenwasser. Ein kurzer Spaziergang zeigt, dass der Ort nicht weiter erwähnenswert ist.

Ganz in der Nähe von Itea liegt übrigens noch ein weiterer Hafenort, Galaxidi, mit seinen berühmten Kapitänshäusern. Allerdings liegt man dort vergleichweise ungeschützt römisch-katholisch vor Buganker und es kann durchaus passieren, dass der Anker mal von einem benachbarten Schiff beim Manöver rausgezogen wird. Da wir Coco einen Tag lang allein lassen wollen, haben wir uns für den weniger schönen, aber sichereren Hafen von Itea entschieden, zumal auch die Busverbindungen nach Delphi von hier aus günstiger sein sollen.

Das antike Delphi war dem griechischen Gott Apollo geweiht, dem Gott des Lichts und der Künste, Sohn des Zeus. Als eine seiner ersten Heldentaten tötete Apollo hier die sagenhafte Schlange Phython, deren hellseherische Fähigkeiten sich durch dieses Blutvergießen auf den Ort übertrugen. Die Priesterinnen Delphis, die als Medien für die Weissagungen Apollons dienten, trugen deshalb in der Folge den Titel "Pythia". Seine Blütezeit erlebte Delphi ab dem 8. Jh. v. Chr. bis zum Verbot der heidnischen Kulte durch den römischen Kaiser Theodosius I. im Jahr 394 n. Chr. Einst galt Delphi als Mittelpunkt, "Nabel", der Welt. Symbolisiert wurde dieses Zentrum durch den eigenartigen Omphallos-Stein, der vom Himmel gefallen sein soll, und der heute noch im Archäologischen Museum von Delphi zu bewundern ist. Delphi gehört zu der wichtigsten Kulturdenkmälern, die in der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO enthalten sind.

Von Itea ist Delphi eine knappe Stunde Busfahrt entfernt. Delphi ist herrlich gelegen auf 700 Metern in den Hügeln am Fuß des Parnass, des zweithöchsten Berges Griechenlands. Das Gelände, auf dem sich das berühmte Heiligtum mit dem bedeutendsten Orakel der Antike befindet, ist landschaftlich sehr reizvoll und sehr viel weitläufiger, als wir dachten. Man sollte ausreichend Zeit mitnehmen, am Besten einen ganzen Tag.

Delphi Umgebung
Delphi
Apollo-Tempel
Delphi

Auf dem bei Seglern gut bekannten Inselchen Trizonia im Golf von Korinth liegt Coco in der typisch halbfertigen "Marina" längsseits an der Betonpier. Mehrere armselige Schiffswracks "verschönern" in halb oder ganz versunkenem Zustand das Ambiente und bieten ein trauriges Bild. Die "Marina" wird ihrem verbreiteten Ruf als Segler-Paradies in keiner Weise gerecht. Der positive Aspekt: auch hier bezahlen wir keinerlei Liegegebühren.

Trizonia Marina
Trizonia

Gedanken über Ankerbojen

Cocos Skipper geht mit einem deutschen Nachbarn der unter Seglern zweitbeliebtesten Beschäftigung nach: dem Theoretisieren über's Segeln. Das Gespräch dreht sich um Ankern und um die Verwendung von Ankerbojen. Ein Thema, das immer wieder interessant ist und kontroverse Diskussionen auslöst. Der Nachbar schwört auf Ankerbojen. Und er hat gute Argumente: So könne er wunderbar die Position, an der sein Anker liegt, markieren; später Ankommende könnten dann problemlos erkennen, dass sie dort nicht ankern dürften. Das klingt zunächst plausibel. Auch Coco de Mer trug in ihren frühen Jahren aus dem gleichen Grund gerne diese Ankerzier. Aus heutiger Sicht sehen wir das anders. Unsere Argumente - nach einigen Jahren Erfahrung und ein oder zwei verlorenen Ankerbojen - sind: Erstens: ein Segler kann unter normalen Umständen problemlos erkennen, wo die Anker anderer Schiffe in etwa liegen (eine Ausnahme gilt bei Windstille, aber dann kann man ja auch einfach fragen). Zweitens: Gegenüber den später Ankommenden ist das Ausbringen einer Ankerboje eigentlich ein unfreundlicher Akt. Man verhindert ja nicht nur, dass sie ihren Anker über den eigenen werfen, sondern man schränkt damit vor allem den Manövrierbereich und den Schwojkreis der Neuankömmlinge erheblich ein. Angesichts der oft räumlich begrenzten Ankerplätze kann man da mitunter schon von Behinderung sprechen. Zudem hört man immer wieder von Fällen, in denen Ankerbojen bzw. deren dazugehörige Leinen sich an Kiel, Ruder oder im Propeller verfangen haben. Im dümmsten Fall sogar im eigenen. Und das führt unweigerlich zu weit größeren Problemen!

Ankerbojen erinnern ein wenig an das so beliebte Umzäunen seinen Besitzes: Ich war zuerst hier; das ist mein Grund; bis hierhin und nicht weiter! Aus unserer bisherigen Erfahrung sehen wir Ankerbojen heute wenn nicht als unsinnig, so doch zumindest als unfreundlich, schlimmstenfalls sogar als gefährlich an. Deshalb, liebe Seglerfreunde: Verzichtet darauf. Im Zweifelsfall kann man doch reden mit den Leuten.

Zudem behaupte ich nach einigen Jahren Erfahrung mit allen möglichen Arten von Ankerplätzen: es gibt weitaus Schlimmeres als über Kreuz liegende Ankerketten! Und es passiert ohnehin bei weitem nicht so häufig wie man gemeinhin annimmt; in sieben Jahren hatten wir keine fünf solche "Treffer".



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